Ahaus: Atommülllieferung aus Garching?

UPDATE: August 2022

Ein Atommülltransport soll in das Zwischenlager Ahaus rollen. Die Behälter stammen aus Garching und ihr Inhalt ist ein „problematischer Sonderfall“.

Der Forschungsreaktor FRM-II in Garching stand seit März 2020 monatelang still, Anfangs wegen der Corona-Pandemie, dann weil es einen Störfall gab, bei dem unzulässig viel Radioaktivität in die Umwelt entwichen ist. Bekannt geworden ist auch, dass der bisher gern betonte und für die umstrittene Errichtung als Argument angeführter „medizinische Nutzen“ für Krebs-Therapien gar nicht gegeben ist. Der Meiler dient fast ausschließlich der Forschung und Industrie.

In die Schlagzeilen kommt der FRM-II immer wieder, weil er mit hochangereichertem Uran betrieben wird. Relativ leicht ist damit eine Atombombe herzustellen, warnen Kritiker*innen. Internationale Abrüstungsbemühungen werden unterwandert. Der Betreiber wurde bei der Inbetriebnahme 2004 zur Umrüstung auf niedrig angereicherten Brennstoff bis Ende 2010 verpflichtet, doch diese Auflage wird seitdem ignoriert. Der Betrieb ist deshalb „illegal“, attestiert ein Rechtsgutachten. Doch die bayerische Atomaufsicht bleibt tatenlos.

Brennelementelagerbecken ist voll

Doch Garching hat noch ein Problem. Das Becken, in dem verbrauchte Brennelemente lagern, ist schon länger fast voll. Schon 2018 hieß es, dass kurzfristig Platz geschaffen werden müsse. Dann gab es jedoch Lieferschwierigkeiten beim frischen Brennstoff und der Reaktor stand zwischen März und Dezember 2019 still. Im März 2020 erfolgte dann wieder die Abschaltung.

Der Betreiber des Forschungsreaktors plant, den Atommüll von Bayern ins 700 Kilometer entfernte nordrhein-westfälische Zwischenlager Ahaus bringen zu lassen. Es dreht sich um siebzehn Castor-Transporte per LKW mit je fünf abgebrannte Brennelementen.

Dieser Atommüll ist wegen des hohen Anreicherungsgrades jedoch ein „Sonderfall“. Um ihn gemäß der aktuellen Pläne der Bundesregierung wie sämtlichen anderen Atommüll langfristig an einem unterirdischen Ort zu lagern, muss er konditioniert werden. Damit über Jahrtausende eine „Unterkritikalität“ gewährleistet ist, soll abgereichertes Uran zugemischt werden, empfiehlt selbst die Reaktor-Sicherheits-Kommission. In Ahaus fehlen allerdings jegliche Voraussetzung für diese Maßnahme. Kritiker*innen fordern daher, dass der Betreiber in Garching „seiner Verantwortung nachkommen muss“ - und warnen gleichzeitig vor einem illegalen Atommüllexport ins Ausland. Der Abtransport nach Ahaus könnte allerdings genau dafür der erste Schritt sein.

„Anstelle von riskanten Transporten nach Ahaus wäre es besser, den Müll direkt in Garching zu entschärfen. Die Technische Universität München muss als Betreiberin jetzt ein Verfahren zur Uran-Verdünnung entwickeln und ein sicheres Zwischenlager in Garching bauen“, fordert Dr. Hauke Doerk vom Umweltinstitut München im März 2019.

Wann rollt der erste Castor-Transport?

Doch trotz der umfassenden Probleme wird an den Transportplänen nach Informationen der Bürgerinitiative „Kein Castor nach Ahaus“ festgehalten. „Unbedingt noch in diesen Jahr“ wollte Bayern 2020 den hochangereicherten Atommüll loswerden, hieß es in einem Aufruf zu einer Protestmahnwache, die in Ahaus stattfand. Die Anwälte der Betreiber wollten noch im 3. Quartal 2020 die Aufbewahrungsgenehmigung vom „Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung“ (BASE) erwarten, heißt es nach Informationen der Aktivist*innen in einer Antwort des Betreibers an das Oberverwaltungsgericht. "Noch im 4. Quartal 2020" sollte der erste CASTOR vom Typ MTR3 nach Ahaus rollen.

Passiert ist seitdem nichts.

Proteste gegen die Atommüllfuhren könnten groß ausfallen, darauf weist eine erste Demonstration hin, die im März 2019 stattfand. Als damals erste Atommüll-Anlieferungen (nicht nur aus Garching) immer konkreter wurden, gingen 1.400 Menschen auf die Straße, so viele wie seit 20 Jahren nicht. Den Protesthöhepunkt erlebte Ahaus 1998, als mehr als 20.000 Polizist*innen einem Castor-Transport den Weg durch tausende Atomkraftgegner*innen bahnen mussten.

Der FRM-II in Garching hat also zahlreiche Probleme: sehr problematischen Atommüll und die juristische Bewertung, dass der Betrieb illegal ist. Die öffentliche Akzeptanz fehlt nicht erst seit Bekanntwerden des fehlenden medizinischen Nutzen – umstrittene Castortransporte mit massiver Polizeibegleitung fördern diese nicht. Außerdem drängt sich auf, dass sich der Meiler wegen der langen Stillstandszeiten gar nicht mehr rechnen kann. Doch statt einen Schlussstrich zu ziehen, warnt der Betreiber vor einem „Abwandern der Wissenschaft aus Deutschland“.

Atommüll in Deutschland: Zwischenlager-Konzept gescheitert

Die Zwischenlager für hochradioaktiven Atommüll entsprechen schon heute nicht dem Stand der Technik. Ihre Genehmigungen laufen aus, lange bevor ein Endlager für Atommüll bereitsteht, falls überhaupt ein Endlager gefunden werden kann.

Über 70 Verbände und Initiativen weisen deshalb mit einem Positionspapier auf Sicherheitsdefizite und Wissenslücken hin. Sie fordern ein tragfähiges Konzept von den verantwortlichen Behörden.

Unnötige Atomtransporte sollen vermieden werden, und die Öffentlichkeit soll an Entscheidungen teilhaben.

Hoch angereicherter Atommüll aus dem Forschungsreaktor in Garching

Eine hitzige Debatte wird um den Forschungsreaktor in Garching geführt, nicht zuletzt, weil er entgegen internationaler Abrüstungsprogramme 2004 mit hoch-angereichertem Uran in Betrieb gegangen ist. Schon zwei Fristen zur Umrüstung des Reaktors sind mittlerweile verstrichen.

Selbst der Atommüll aus dem Reaktor enthält noch zu 87 Prozent angereichertes Uran, dass für den Bau von Atomwaffen missbraucht werden könnte, sollte es in die falschen Hände geraten. Über 300 Kilogramm Bombenstoff lagert somit vor den Toren Münchens in Form von verbrauchten Brennelementen. Das Abklingbecken des Reaktors ist damit prall gefüllt, deswegen sind für dieses Jahr (2019) Castor-Transporte nach Ahaus geplant.

Wir fordern stattdessen den Verbleib des Atommülls in Garching, und den Bau einer Konditionierungsanlage zur Abreicherung des Urans vor Ort.

Brisanter Atommüll aus Jülich

Im Zwischenlager Jülich warten 152 Castor-Behälter mit 288.161 Brennelementkugeln aus dem Betrieb des ehemaligen Versuchreaktors Jülich (AVR) auf ihren künftigen Verbleib. Seit 2014 hat die veraltete Lagerhalle ihre Bertriebsgenehmigung verloren, seitdem suchen die Verantwortlichen nach einer Lösung für die Misere. Die Betreiber planen einen kostengünstigen Abtransport nach Ahaus oder den illegalen Export in die USA.

Wir fordern: Keine Verbringung der Brennelementbehälter mit unkalkulierbarem Inhalt aus Jülich nach Ahaus! Stattdessen Bau einer erdbebensicheren Lagerhalle in Jülich und Entwicklung von Konzepten zur endlagergerechten Verpackung dieser Brennelemente in Jülich!

März 2019: 1.400 gegen neue Castoren

Mit einem Demo-Zug durch die Ahauser Innenstadt und der Aufstellung von gelben X-en und schwarzen Fahnen am Zwischenlager Ahaus protestierten am 3. März 2019 1.400 Menschen gegen die Zwischenlager-Politik der Bundesregierung und für einen sofortigen Atomausstieg.

Die Organisatoren der Demonstration fordern, geplante Castor-Transporte aus Garching und Jülich nach Ahaus zu stoppen und die Errichtung möglichst sicherer Zwischenlager an den beiden Standorten. Mit der Demonstration erinnerten sie außerdem an die Katastrophe von Fukushima, die vor 8 Jahren einmal mehr verdeutlich hat, dass die mit der Nutzung der Atomenergie verbundenen Risiken nicht beherrschbar sind. Neben solidarischen Grüßen an japanische AtomkraftgegnerInnen, drückten die DemonstrantInnen auch ihre Solidarität mit der russischen Umwelt-Organisation Ecodefense aus, deren Aktivist Vladimier Sliviak auf der Demo über jüngste russische Repressionen berichtete.

An der Demo beteiligten sich auch 80 Landwirte aus Ahaus und Umgebung mit ihren Traktoren.

„Aus Jülich sollen 152 Castoren mit Müll aus dem Versuchsreaktor AVR nach Ahaus kommen. Niemand weiß genau, was da drin ist, weil die Dokumentation Lücken aufweist“, erklärt Marita Boslar vom Aktionsbündnis ‚Stop Westcastor‘. „Statt Transporten nach Ahaus oder in die USA fordern wir die Lagerung und die langfristig nötige Umverpackung vor Ort in Jülich. Genau das wird aber vom Forschungszentrum Jülich und den zuständigen Ministerien torpediert, indem kürzlich die Zusage für das Baugrundstück nach sechs Jahren zurückgezogen wurde“, so Boslar weiter.

„Der Forschungsreaktor Garching produziert seit 2004 waffenfähigen Atommüll mit hoher Anreicherung. Jetzt ist das Abklingecken fast voll“ erklärt Dr. Hauke Doerk vom Umweltinstitut München. „Anstelle von riskanten Transporten nach Ahaus wäre es besser, den Müll direkt in Garching zu entschärfen. Die Technische Universität München muss als Betreiberin jetzt ein Verfahren zur Uran-Verdünnung entwickeln und ein sicheres Zwischenlager in Garching bauen.“, so Doerk weiter.

„Wir lehnen weitere Atomtransporte nach Ahaus ab. Für eine Endlos-Zwischenlagerung sind weder die Gebäude noch die eingelagerten Behälter geeignet. Die Gebäude entsprechen schon jetzt nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik.“ erklärt Hartmut Liebermann von der Bürgerinitiative ‘Kein Atommülll in Ahaus e.V.‘. „Trotzdem wollen die Bundesregierung und die zuständigen Ämter einfach so weitermachen: Als Türöffner wurde nun für Ahaus die Verlängerung der Zwischenlagerung von schwach- und mittelradioaktivem Müll bis zum Jahr 2057 beantragt. Wir brauchen stattdessen ein neues und sicheres Konzept für die Langzeit-Zwischenlagerung“ so Liebermann weiter.

Trägerkreis der Demonstration: .ausgestrahlt, Bürgerinitiative "Kein Atommüll in Ahaus" e.V., Umweltinstitut München, Aktionsbündnis „Stop Westcastor“, BBU, Sofa Münster, BUND, Bürger gegen Atomreaktor Garching